Renntaktik

oder wie man sich ein Radrennen so richtig schön schwer macht

Mit einer knappen Woche Abstand, genügend Zeit zur Reflexion und ein paar zusätzlichen externen Informationen möchte ich euch einen Einblick in meine außergewöhnliche „Renntaktik“ (oder doch die vollkommene Abwesenheit einer eben solchen) geben.

Von Anfang an: Letzten Sonntag haben wir als Radclub Mödling unsere traditionelle offene Vereinsmeisterschaft, das Kurt Honisch Gedächtnisrennen, veranstaltet. Dieses mal zwar nicht auf dem traditionellen Dornbach-Rundkurs, aber die Strecke von Altenmarkt über St. Corona zum Schöpfl hatte ein ähnliche Charakteristik: Ein Rundkurs mit insgesamt 52 km und 700 Höhenmeter mit einer Bergankunft.

Meine Ausgangslage war insofern interessant, als dass ich i.) den letzten Platz in der Vereinsmeisterschaft von meiner letzten Teilnahme 2019 zu verteidigen/bzw. zu verbessern hatte und gleichzeitig dieses Jahr (nicht zuletzt auch durch die mittwöchliche Wochenteilung) deutlich besser in Form bin. Somit war mein Ziel gesteckt, ich wollte zumindest vor einem anderen Starter unseres Vereins ins Ziel kommen.

Am Renntag reihe ich mich recht konservativ mit den meisten meiner Vereinskollegen hinten im Feld ein und rolle problemlos im neutralisierten Feld aus Altenmarkt hinaus. Nach der Rennfreigabe ändert sich zunächst wenig, ich halte immer noch recht gut im Hauptfeld, welches zunächst einen einsamen Ausreißer ziehen lässt mit. So weit so gut.

Doch im kurzen Steilstück von Neuwald nach St. Corona reissen erste Lücken im Feld vor mir auf. Ich nutze meinen Gewichtsvorteil und ziehe an den meisten meiner Vereinskollegen vorbei, um an der Gruppe vor mir dranzubleiben. Mein Plus schießt nach oben bis er in meinem Helm ansteht (eh nur 192), aber ich denke mir: „Das ziehe ich durch, in der Gruppe kann ich mich bergab wieder erholen“.

Über die Kuppe drüber, dann der nächste Sprint um in der Gruppe zu bleiben. In der Gruppe ist überraschenderweise auch mein Arbeitskollege, der wie ich weiss um ein vielfaches stärker als ich ist. Kurze Zweifel, ob diese Gruppe die richtige für mich ist, keimen auf – oder doch nicht. Keine Zeit & kein Blut im Kopf mehr zum Denken. Die Gruppe ist nur klein und niemand fährt lange Ablösungen. Ich versuche auch meine Zeit vorne im Wind möglichst kurz zu halten, schließlich bin ich in einer viel zu schnellen Gruppe für mich gelandet… Als ich zum zweiten Mal nach vorne in den Wind komme biegen wir gerade wieder auf die leicht ansteigende Bundesstraße. Ich versuche möglichst schnell wieder aus dem Wind herauszukommen, und mich hinten in die Gruppe zu hängen, doch selbst das klappt nicht mehr…..

Mit dem Wissen, dass erst ca. ein Renndrittel absolviert ist, lasse ich die Gruppe ziehen und rolle alleine weiter. Mit dem Plan auf die nächste Gruppe zu warten….. Doch die kommt erstmal nicht. Ich verbrauche also schön langsam meine Energie auf der leicht ansteigenden Strecke. Als die Gruppe mich dann doch endlich einholt geht es schon wieder zum zweiten Mal ins Steilstück von Neubau nach St. Corona. In der Gruppe sind insgesamt nur 5-6 Fahrer und fast nur Radfahrer vom RC Mödling, und die alle schätze ich als stärker als mich ein. Über die Kuppe reisse ich ein Loch von ein paar Metern und als Reaktion auf die Erfahrungen aus der ersten Runde beschließe ich mich nicht voll reinzuklemmen sondern auf die nächste Gruppe zu warten.

Und so fahre ich alleine die ganze Abfahrt. Und den ganzen flachen Anstieg auf der Bundesstraße. Und erst im leicht ansteigenden Streckenteil sehe ich in der Entfernung einen einzelnen Radfahrer langsam auf mich aufschließen. Ich nehme etwas raus, und Thomas holt mich in Neuwald ein. Die Luft ist total heraußen bei mir, dennoch kämpfe ich mich vor Thomas über die Kuppe und gehe mit ein paar Metern Vorsprung in den Schlußanstieg. Thomas kontert und zieht problemlos an mir vorbei.

Ich komme somit als 41ter von 45 Startern in der allgemeinen Klasse ins Ziel… Dieses Mal gerade nicht letzter in der Vereinsmeisterschaft.

Epilog:
Eine Blick auf meine Herzfrequenz und von Strava daraus abgeleiteten Leistungwerte zeigt meine drei vielleicht nicht so ganz brillianten taktischen Züge:

1.) Bergab erholen ist nicht drinnen, wenn man sich in die Ablösung so einreiht, dass man sich dabei abschießt

2.) Wenn man die letzte größere Gruppe ziehen lässt, dann sollte man sich nicht wundern, dass von hinten keine mehr kommt. (und wenn ich gewußt hätte, dass Walter nur auf 30% Leistung fährt, dann hätte ich mich auch getraut mich an dieses Hinterrad anzuhängen)

3.) Wenn man ohnehin schon fast alle seine Kräfte sinnlos verballert hat, dann sollte man auf der zweitletzten Steigung Zurückhaltung üben.

Aber, das Wetter war super, das Rennen hat Spaß gemacht und bis ich so viele Rennjahre wie Walter Kovarik habe, habe ich noch Zeit, um an meiner Taktik zu arbeiten.