Die Aufgabe ist denkbar einfach: Suche dir einen Anstieg und fahre den so lange rauf und runter bis du 8848 Höhenmeter überwunden hast. Quasi der Anstieg zum Dach der Welt von der Meereshöhe aus.
Mit meinem geschätzten Rad-Clubkollegen Wolfgang Maierhofer durfte ich bereits die 24h von Kaindorf quasi im „Gleichtritt“ befahren und dort haben wir die 500km zusammen gemeistert.
Schon während der Fahrt in Kaindorf kam das „Everesting“ als interessante und anspruchsvolle Herausforderung zur Sprache. Und nach den gemeisterten 500km samt knapp 6000hm in 24h wirkte das Everesting-Vorhaben mehr als machbar.
Nach kurzer Planung – also wo und wann fahren wir und wie werden wir uns verpflegen – haben wir uns für die derzeit noch für den Autoverkehr gesperrte Auffahrt von Süden auf die Sophienalpe bei Mauerbach entschieden. Vom Adalbert-Stifter Denkmal bis zur „Passhöhe“ sinds ca 3,6km und 180hm. Macht also zumindest 52mal rauf&runter. Ist ja ein Klax !
Aufgrund Zeitmangels haben wir es aber nicht geschafft vorab die Strecke Probe zu fahren und zu prüfen, wie lange denn tatsächlich eine Runde (also Auf- und Abfahrt) dauert.
Unsere theoretischen Kalkulationen ergaben ca. 23-24km/h Schnitt plus 2h Pausenzeit. Dann kommt man auf eine Gesamtdauer von ca. 17-18h.
Es sollte sich zeigen, dass Theorie und Praxis nicht immer harmonieren…
Am Samstag dem 02.08.2025 um 2:45 war Treffpunkt am Parkplatz von wo wir stets unsere Anstiege starteten. Der Wetterbericht war leider bis zum Ende so instabil, dass wir uns erst am Freitag dem 01.08.2025 entschieden hatten, es tatsächlich zu versuchen.
Angesagt waren am Samstag ab Mittag teilweise Regenschauer und Gewitter, aber gegen Abend um 20.00 sollte dann eine große Regenfront Wien erreichen. Dem Schlechtwetter wollten wir zuvorkommen und die 8848hm und das hochverdiente Bier zu diesem Zeitpunkt bereits absolviert haben.
Start war daher bereits um 03:00 früh und die Räder rollten auf dem neuen Asphalt wie von selbst. Nach den ersten 10 Runden stellte sich jedoch heraus, dass wir nur einen Durchschnitt von ca. 21km/h fuhren. Damit wurde uns schnell klar: Das wird wohl ein wenig länger dauern.

Wolfgang und ich fanden aber eine für beide angenehme Pace und wir konnten uns durch das Setzen kleiner Ziele (Alle 5-6 Runden eine Pause mit Essen, Trinken, Klogehen, etc.) und das Feiern von Teilzielen („Juhuu schon 100km…“, „Yippie bereits 5000hm..“ usw.) ganz gut bei Laune halten.

Zur Verpflegung hatten wir beide jeweils Essen für 3x Everesting dabei. An dieser Stelle GRÖSSTER Dank an meine Frau, die mir am Vorabend noch Flammkuchen, Bananabread, Flapjacks und Nudeln vorgekocht hat und uns am Vormittag besucht und angefeuert hat. Andere Frauen hätten bereits bei Ankündigung eines solchen Vorhabens die Scheidung eingereicht ;-)…

Am Samstag um ca 12:00 hatten wir knapp unter der Hälfte der Strecke absolviert, wir waren also noch nicht einmal ins Basislager (5364m) angelangt. Hochgerechnet wussten wir, dass wir sicher noch bis weit in die Dunkelheit fahren werden müssen. Stets das Damoklesschwert über dem Kopf war der befürchtete Wetterumsturz. Ehrlicherweise hatte ich schon sehr mit einer Aufgabe gerechnet. Körperlich waren wir beide zwar noch gut in Schuss, jedoch war ich mental an diesem Zeitpunkt in einem Tief. Beim Gedanken im strömenden Regen weiterzufahren, rollten sich meine Zehennägel auf.
Wir hatten aber Glück im Unglück und wir blieben bis ca. 19.30 von größerem Regen oder gar Gewitter verschont. Bis dahin hatten wir knappe 7400hm in den Beinen und es lief erstaunlich gut, von kleineren Wehwehchen abgesehen.

Dann aber ging es los: Platzregen, Wind, Kälte und noch 7 Runden (also ca 2,5h) zu absolvieren. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hat Radfahren überhaupt keinen Spaß mehr gemacht.
Es ist unglaublich was für Kräfte und Motivation man abrufen kann, wenn das Ziel so greifbar ist und so nah wirkt. Von Aufgeben war plötzlich nicht mehr die Rede: „Wenns sein muss trag ich die Kraxn bis ins Ziel..“
Trotz Nässe, Dunkelheit, schlechter Sicht und Kälte zogen wir es durch und wir konnten schließlich nach 19:56:58 Gesamtzeit (davon 17:48:07 in Bewegung) das letzte Mal zu den Autos rollen. Dabei haben wir 371 km und 8980 hm gesammelt.

Man möchte meinen, beim Erreichen des Zieles fühlt man unglaubliche Freude und möchte den Erfolg zelebrieren.
In Wahrheit ist man einfach nur erleichtert, dass die Qualen vorbei sind und seinen nassen, müden und geschundenen Köper endlich ins Bett hieven kann.
Erst in den nächsten Tagen wird realisiert, dass man etwas Außergewöhnliches geschafft hat, was neben der körperlichen Voraussetzung im Besonderen eine große mentale Stärke erfordert.
Manche würden behaupten, man braucht einfach einen festen Klescher..;-).
Was sind die Learnings aus diesem Vorhaben:
- Essen, Essen, Essen.. möglichst Variantenreich (mal salzig, mal süß), da man spätestens nach ein paar Stunden keinen Appetit mehr hat, aber der Körper stets mit Treibstoff versorgt werden muss. Das hat bei uns beiden gut funktioniert.
- Kleine Lichtblicke: die Freude auf eine Pause, ein kurzer Besuch von Freunden oder Familie, bewusstes Feiern von Etappenzielen. Kleinigkeiten können die Motivation merkbar erhöhen und Kräfte mobilisieren.
- Die Strecke war an sich super zu befahren (Kein Verkehr, Guter Asphalt), jedoch mit im Schnitt 5% zu flach. Um das Vorhaben zu verkürzen sind 8-10% optimal, in Wien jedoch nicht so easy zu finden.
- Wechselgarnitur(en) mitnehmen und Zeit nehmen, um sich tatsächlich umzuziehen. Wir hatten gefühlt alles zwischen 5-30° Grad und 0-100% Luftfeuchte erlebt.
